Léa Linster: "Ich bin eine Kerze, die an zwei Enden brennt"
Die luxemburgische Starköchin Léa Linster (65) spricht offen über hemmungslosen Genuss, die Liebe zu ihrem Beruf und traurige Momente in ihrem Leben.
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Im luxemburgischen Dörfchen Frisingen (auf französisch: Frisange) reihen sich Weinhandlungen an Delikatessenläden und verlockend günstige Tankstellen mit Champagner-Verkauf. Hier wohnt der Genuss - und mittendrin hat die Weltmeisterin im Kochen, Léa Linster, ihr Restaurant, das mittlerweile von Sohn Louis (29) in bereits fünfter Generation geführt wird.
'Meins' hat sie 2018 in Frisingen besucht und mit ihr nicht nur über die Lust am Essen gesprochen ...
'Meins': Was bereitet dir Genuss, Léa?
Léa Linster: Die Freude am Leben! Das war schon immer so. Mein Vater hat mich als junge Frau schon ermahnt, ich solle nicht so hemmungslos sein. Für mich gilt: einfach leben! Alles trinken, alles essen - ohne Rücksicht auf Verluste.
Was ist das Schöne am Essen?
Haaaaaa, das ist, wenn Hunger und Appetit zusammenkommen. Was gibt es Schrecklicheres, als keinen Appetit zu haben? Die Freude am Leben kommt übers Essen! Da lebe ich gern im Überfluss.
Sehen Sie hier, welche Koch-Profis sich neben Léa Linster im Fernsehen tummeln (Artikel geht unten weiter):
Köchin Léa Linster hört voll und ganz auf Ihr Körpergefühl
Wie gelingt es einer Vollblut-Frau wie dir, Maß zu halten?
Ach, die Ärzte hätten mich schon vor Jahren zurückgepfiffen. Völlig unnötig. Ich bin eine Kerze, die an zwei Enden brennt, aber ich höre immer auf meinen Körper. Wenn ich Sodbrennen habe, lasse ich Zucker, Kaffee und Alkohol weg. Wenn ich denke, meine Leber meldet sich, passe ich mit Fett auf. Das funktioniert, mein Körper regelt das allein.
Dabei ist Butter das Beste, was es gibt, sagst du immer ...
Jaaaaa! Und wenn die Leute sagen, in meinen berühmten Madeleines sei so viel Butter drin, antworte ich: Wie man es nimmt - nicht ein Gramm mehr als notwendig! Weißt du, ich habe immer nur gute Sachen gegessen. Ich gebe schon zu, es war auch oft zu viel. Aber es war immer von Qualität. Ich war noch nie krank - in 40 Jahren nicht einmal!
Waren Diäten je ein Thema für dich?
Immer mal wieder, aber du fällst danach ja doch in dein altes Raster zurück. Am Anfang reagiert der Körper, aber maximal nach drei Wochen ist es doch vorbei mit dem Abnehmen. Ich sage mir: Das Leben ist zu kurz für Knäckebrot!
Und nach jeder Diät folgt der berühmte Jo-Jo-Effekt ...
Na, irgendwie musst du ja in Bewegung bleiben. Auf und ab ist sicher eine gute Methode - wie auch immer du das machst (sie lacht schelmisch und zwinkert). Die beste Diät ist unser Gefühl! Die Willenskraft hätte ich, aber mir fehlt der Glaube an Diäten! Nach einiger Zeit signalisiert mir mein Körper: Jetzt ist mal gut, Schatz, jetzt mach' ich nicht mehr mit.
Manchmal ist Essen auch Kompensation für uns ...
Eben! Das Frustessen ist das Schlimme! Dagegen sollten wir was tun und wegräumen, was uns auf dem Magen liegt. Wir sollten einfach nur noch essen, was uns schmeckt - und uns glücklich macht. Ein frohes Bauchgefühl zu haben macht nicht dick! Ich bin ja eher ein Bauchmensch als ein Kopfmensch. Mein kluges Gehirn ist ein schöner Nebeneffekt, aber das Wichtigste ist mein Bauch - der entscheidet am besten.
Du hast mal gesagt, dein Beruf sei dein Fluch. Wie ist heute dein Körpergefühl?
Wunderbar! In meiner Höchstform hatte ich 120 Kilo bei 163 Zentimeter. Da will dich kein Mensch! Aber ich habe sehr früh erkannt: Wenn du zu dick bist, kannst du das durch etwas anderes kompensieren. Wenn ich kochte, sind die Leute aufgeblüht - da wirst du geliebt.
Ist es das Glücklichmachen, das dich antreibt?
In jedem Fall! Es ist meine große Lust daran, Menschen froh zu machen.
Du hast ein wunderbar gewinnendes Wesen. Funktioniert deine offene Art immer?
Zwischenmenschlich ist es manchmal auch schwierig. Das ist für mich das größte Problem, wenn mir einer zeigt, er liebt mich nicht - das trifft mich sehr. Aber ich habe gelernt: Wenn jemand, ein Freund oder auch ein Familienmitglied, mit mir nicht glücklich sein möchte, dann soll er es lassen. Wer sich dagegen wehrt, dass ich ihn glücklich machen kann, muss sein Glück woanders suchen. Dann lasse ich los und vergesse den direkt. Ich belaste mich nicht mehr.
Es ist Lebenserfahrung, die dich konsequenter gemacht hat?
Es ist auch die mangelnde Zeit. Während andere ihre Freunde treffen, arbeite ich. Immer! Ich arbeite für die, damit die bei mir eine schöne Zeit haben. Das ist mein Metier. Wir Gastronomen stehen leider unter einem enormen Druck, der erst spät in der Nacht nach dem Service nachlässt. Dann kann man an einen Tisch dazustoßen. Und wenn es dann bis drei Uhr morgens geht, musst du trotzdem um neun Uhr wieder in der Küche parat stehen. Da gibt es kein Pardon!
Darum liebt Léa Linster ihren Beruf und das Kochen so sehr
Trotzdem stehst du seit 42 Jahren in deiner Küche ...
Mein Beruf ist der beste der Welt. Nirgendwo lernst du die Menschen besser kennen als in einem Restaurant. Hier kommen keine zwei rein, die gleich sind. Alle sind anders, jeder ist auf seine Weise individuell.
Worin liegt dein großes Glück, für andere zu kochen?
Kochen ist Liebe! Wenn es den Leuten schmeckt, sind sie so lieb und dankbar - das berührt mich jeden Tag aufs Neue. Ich liebe es, Menschen glücklich zu machen. Aber ich warne meine Gäste auch gern: Den Koch kann man am Abend loben, das Menü erst am nächsten Tag. Denn dazwischen muss der Mensch erst einmal verdauen - das ist im Leben ganz genauso!
Du wirkst immer froh gelaunt und unbeschwert. Wie sieht es in traurigen Momenten hinter diesem Strahlen aus?
Sagen wir so: Der Januar und der Februar sind immer ein bisschen schwer für mich. Da fehlt mir das Licht, immer ist es grau und dunkel. Aber jetzt mit dem Frühling kommt meine Lust wieder. Ich bin ein Naturmädchen. Wenn es anfängt zu sprießen, sprießt auch meine Laune.
Was siehst du an einem frischen neuen Morgen im Spiegel?
Wenn ich in den Spiegel schaue und das Weiß in meinen Augen schön hell ist, bin ich glücklich! Das macht so schön jung (sie lacht).
Hat man das in der Hand?
Aber nein! Das ist ja das Gute! Jeder Morgen ist eine Überraschung. Wir kontrollieren uns doch viel zu sehr. Aber nach den Normen anderer Leute. Höre lieber auf deinen Körper und lebe! Kontrolle macht dich kaputt. Wir sollten uns weniger kasteien. Es muss ja auch nicht immer alles toll oder sogar perfekt sein. Sonst macht dich der Erfolg noch blöd.
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Léa Linsters Partner Sam ist ihr Herzensmensch
Mittlerweile führt dein Sohn Louis deine Küche. Wirst du dich jetzt langsam zurückziehen?
Noch nicht! Ich liebe es viel zu sehr, ich mache die Honneurs und begrüße die Gäste (sie lacht schelmisch). Louis ist jung, aber er denkt sehr reif. Er ist jetzt der Chef und macht das ganz wunderbar. Es ist auch genug Blut von mir in Louis drin, dass ich weiß, dass das läuft. Ich genieße das sehr.
Sicher auch, um ein bisschen mehr Zeit für dich zu haben ...
Ich bin achtsamer geworden, gönne mir hier und da ein paar Extras. Kleine Extras im Leben machen uns froh. Das kann ein Gläschen Sekt sein oder eine Reise. Ich werde mir eine Auszeit in Kalifornien gönnen. Da ist alles, was mein Herz begehrt: Sonne, Palmen, Berge mit Schnee - und mein Sam. Den gibt es auch schon seit 42 Jahren. Ich bin eine treue Seele, fällt mir gerade auf.
Starköchin Léa Linster im Kurzporträt
Zur Person: Léa Linster wuchs mit Mutter Marie-Antoinette, Vater Emile sowie zwei Schwestern und einem Bruder auf (Maryse, Marianne und Jean). Anfang der 80er-Jahre hatte sie das Familiengasthaus ihres verstorbenen Vaters (es war Tankstelle, Restaurant, Tanzlokal und Kegelbahn in einem) übernommen, war damals eigentlich noch Jurastudentin. Doch tief im Innern war schon immer gutes Essen ihre Leidenschaft gewesen und sie hatte ihrem Papa bereits jahrelang in der Küche zugeschaut. So brauchte sie nicht einmal eine klassische Kochlehre, sondern brachte sich vieles selbst bei. Innerhalb von vier Monaten hatte sie auch sämtliche Diplome nachgeholt, später folgte noch die Meisterprüfung. 1987 erhielt ihr Restaurant einen Michelin-Stern, 1989 errang sie außerdem als erste und bisher einzige Frau die höchste internationale Auszeichnung für Köche, den renommierten 'Bocuse d'Or'. Sohn Louis, ebenfalls bereits Sternekoch, kam 1990 zur Welt. Sein Vater Francis ist ein ehemaliger Sommelier aus Léa Linsters Restaurant. Nach der Trennung zog sie Louis allein groß. Neben ihrem Sohn ist Lebensgefährte Sam, ein Amerikaner, den sie bereits 1976 zum ersten Mal traf, der wichtigste Mensch in ihrem Leben.