Experten-Interview

Parkinson: Verlauf, Symptome und Ursachen

Parkinson gehört zu den häufigsten Krankheiten des Nervensystems. Im Interview klärt Prof. Dr. Stephan Klebe vom Universitätsklinikum Essen über den Verlauf, Ursachen und mögliche Therapien auf.

Morbus Parkinson.
Parkinson zählt weltweit zu den häufigsten Erkrankungen des Nervensystems. Foto: Pornpak Khunatorn / iStock
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Morbus Parkinson gehört zu den häufigsten Krankheiten des Nervensystems. Laut der 'Deutschen Parkinson Gesellschaft', sind weltweit rund 4,1 Millionen Menschen von der Krankheit betroffen. Alleine in Deutschland gäbe es schätzungsweise zwischen 250.000 und 280.000 Patienten. Doch wie genau sieht der Verlauf von Parkinson aus? Welche Symptome helfen dabei, die Nervenkrankheit frühzeitig zu erkennen, und gibt es überhaupt Therapie-Möglichkeiten? Diese und weitere Fragen rund um das Thema Parkinson, beantwortet Prof. Dr. Stephan Klebe, Leitender Oberarzt von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen.

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Welche Ursachen hat eine Morbus Parkinson-Erkrankung?

Prof. Dr. Stephan Klebe: Die Ursachen der klassischen Morbus Parkinson-Erkrankung sind nicht bekannt. Wir bezeichnen diese Form auch als idiopathische Parkinson-Erkrankung. Sie tritt vor allem bei Menschen im Alter ab 60 oder 70 Jahren auf und verläuft chronisch degenerativ. Das bedeutet, die Erkrankung schreitet langsam fort.

Kann eine Parkinson-Erkrankung genetisch sein?

Prof. Dr. Stephan Klebe: Ja, denn neben der klassischen Morbus Parkinson-Erkrankung gibt es das genetische Parkinson-Syndrom. Bei etwa fünf bis zehn Prozent der Parkinson-Patienten spielen genetische Ursachen eine Rolle. Die genetische Form tritt im Gegensatz zur klassischen häufig bereits im jüngeren Alter auf. Das kann vor dem 40., aber auch zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr sein.

Für die genetische Parkinson-Erkrankung gibt es zwei mögliche Ursachen: Der Parkinson-Patient ist Träger bestimmter Risikogene, die das Erkrankungsrisiko erhöhen. Träger eines solchen Gendefektes haben – im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung – ein um das Zwei- bis Achtfache erhöhtes Erkrankungsrisiko. Im Gegensatz dazu gibt es Familien, in denen die erblich bedingte Form gehäuft auftritt. Diese Tatsache lässt sich auf einzelne Gene zurückführen.

Welche Symptome weisen auf eine mögliche Parkinson-Erkrankung hin?

Prof. Dr. Stephan Klebe: Bei fast allen Patienten wird die Diagnose aufgrund von motorischen Symptomen gestellt. Dazu zählen Bewegungsverlangsamungen, Gangstörungen, Muskelsteifheit und das Auftreten eines Ruhetremors. In den letzten Jahren sind die nicht motorischen Parkinson-Symptome zunehmend in den Fokus gerückt. Viele Patienten, bei denen Morbus Parkinson diagnostiziert wird, berichten von Riech- und Schlafstörungen aber auch von Verdauungsstörungen und Depressionen, die sie seit vielen Jahren begleiten. Wir gehen davon aus, dass die Parkinson-Erkrankung in den meisten Fällen erst etwa zehn bis 15 Jahre nach Erkrankungsbeginn diagnostiziert wird, nämlich dann, wenn es zu motorischen Symptomen kommt.

Prof. Dr. Stephan Klebe
Prof. Dr. Stephan Klebe, Leitender Oberarzt von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen. Foto: Universitätsmedizin Essen

In welchen Stadien verläuft Parkinson in der Regel?

Prof. Dr. Stephan Klebe: Auf die Diagnose folgt das sogenannte Honeymoon-Stadium. Bei den allermeisten Patienten ist die Erkrankung zu Beginn gut behandelbar. Die Symptome verbessern sich deutlich im Vergleich zu den Einschränkungen vor der Diagnose. Das erklärt auch den Namen 'Honeymoon-Stadium'. Diese Phase kann einige Jahre andauern. Danach muss die Medikation immer mal wieder an die speziellen Probleme und Bedürfnisse des Patienten angepasst werden.

Morbus Parkinson ist nicht heilbar. Daher ist es unser oberstes Ziel, dass die Patienten möglichst lange aktiv am Leben teilnehmen können. Die Parkinson-Erkrankung ist nicht tödlich. Betroffene haben auch keine reduzierte Lebenserwartung. Ein Großteil der Menschen mit Morbus Parkinson wird erst im Spätstadium der Erkrankung pflegebedürftig. Bis es dazu kommt, können allerdings – in Abhängigkeit des individuellen Erkrankungsverlaufs – Jahrzehnte vergehen.

Was genau passiert im Körper bei einer akinetischen Krise?

Die Parkinson-Erkrankung geht mit einem Dopamin-Mangel im Gehirn einher. Zu diesem Mangel kommt es, weil Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren, absterben. Im Falle einer akinetischen Krise steigt der Dopamin-Mangel durch einen vermehrten Dopaminbedarf weiter an. Das geschieht zum Beispiel, wenn Parkinson-Patienten unter körperlichem Stress stehen. Entzündungen, Fieber, aber auch Operationen, die das Zentrale Nervensystem zusätzlich beeinträchtigen, können eine akinetische Krise auslösen. Kennzeichnend dafür ist die plötzliche Verschlechterung bestehender motorischer Symptome.

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Welche Therapien gibt es für Parkinson?

Bei der Standardtherapie wird den Patienten Dopamin zugeführt. Das geschieht entweder durch die Gabe von Dopamin selbst oder durch Medikamente, die wie Dopamin wirken. Das sind die sogenannten Dopaminagonisten. Dopamin beziehungsweise Dopaminagonisten sind in Form von Tabletten oder als Pflaster, das auf die Haut geklebt wird, verfügbar.

Bei manchen Patienten kommt auch eine Medikamentenpumpe zum Einsatz, die den Körper mit Dopamin oder Dopaminagonisten versorgt. Seit Mitte der 90er Jahre gibt es eine weitere Möglichkeit zur Therapie der Parkinson-Erkrankung: den Einsatz eines Hirnschrittmachers. Diese Methode wird auch als Tiefe Hirnstimulation bezeichnet. Dabei werden im Rahmen einer Operation Elektroden in die Hirnareale eingesetzt, die die Symptome der Parkinson Erkrankung verbessern.  

Die nicht-medikamentöse Therapie ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der Parkinson-Behandlung. Gerade im Anfangsstadium profitieren viele Patienten von Krankengymnastik und speziell auf die Erkrankung abgestimmten Übungen. Mit Hilfe einer logopädischen Behandlung können Sprechstörungen verringert werden.

Ab wann ist eine Tiefe Hirnstimulation bei Parkinson sinnvoll?

Wir haben viele Jahre versucht, Morbus Parkinson so lange wie möglich mit Medikamenten zu behandeln. Heute kommt die Tiefe Hirnstimulation besonders bei Patienten zum Einsatz, die unter Wirkfluktuationen leiden. Das heißt, die verabreichten Medikamente sind über den Tag verteilt nicht gleichmäßig wirksam. Die Wirkung lässt im Tagesverlauf nach, was zur Verschlechterung motorischer Symptome führen kann. Patienten, bei denen die Gabe von Dopamin oder Dopaminagonisten zu starken Überbewegungen führt, können ebenfalls von der Operation profitieren. Eine weitere Gruppe sind Parkinson-Patienten, die einen sehr ausgeprägten Ruhetremor haben, der die Lebensqualität stark beeinträchtigt. Erfahrungsgemäß sprechen diese Patienten nicht ausreichend auf die medikamentöse Therapie an. Für diese Patienten stellt die Tiefe Hirnstimulation ebenfalls eine gute Alternative zur medikamentösen Behandlung dar.

Was kann eine Stammzellen-Therapie bei Parkinson bewirken?

Seit einigen Jahren wird an einer Stammzellen-Therapie, bei der die Stammzellen aus anderen körpereigenen Zellen angezüchtet werden, geforscht. Man versucht zum Beispiel Hautzellen so umzuprogrammieren, dass sie zu Dopamin-produzierenden Zellen werden. Diese umprogrammierten Zellen werden dann in bestimmte Gehirnbereiche eingesetzt. Diese Methode kommt bisher nur in klinischen Studien zum Einsatz.

Was kann den Krankheitsverlauf bei Parkinson verlangsamen?

Bewegung ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es ist sogar wissenschaftlich erwiesen, dass Bewegung einen positiven Einfluss auf den Erkrankungsverlauf nehmen kann. Am besten ist, wenn die Patienten dabei noch Spaß haben. In Abhängigkeit der bestehenden Einschränkungen sind Yoga oder Qigong sinnvolle Alternativen. Aber auch Spaziergänge sorgen für Bewegung.

Was sollten Angehörige im Umgang mit Parkinson-Patienten beachten?

Sie sollten versuchen, den Patienten optimistisch zu stimmen und ihn zu Bewegung motivieren. Parkinson geht nicht mit einer reduzierten Lebenserwartung einher. Das sollten Angehörige sich selbst und dem Patienten immer wieder bewusst machen und versuchen, gemeinsam mit dem behandelnden Neurologen die Therapie so optimal wie möglich zu gestalten. Zusätzlich sollten die Angehörigen vor allem auch auf die nicht motorischen Symptome wie die Stimmung, Schlafstörungen etc. achten, damit man hier zusammen mit dem behandelnden Neurologen ebenfalls frühzeitig therapieren kann.