Stress-Selbsttest: So erkennen und bewältigen Sie ihn
Haben Sie auch den Eindruck, dass das Leben nur so an Ihnen vorbeirauscht? Zeit zu fragen, was Stress mit Körper und Seele macht – und sich endlich mehr Selbstfürsorge zu gönnen.
Die Gedanken eilen immer eine Nanosekunde voraus. Nach dem Büro schnell noch zum Gemüsemann, dann ab nach Hause. Höchste Zeit, die Whats-Apps werden drängender. Das Geschirr vom Frühstück wartet auf den Abwasch und die nasse Wäsche in der Maschine. Völlig erschöpft sagen wir die Verabredung für den Abend ab. Ziehen mit einem Glas Wein und Pralinen aufs Sofa. Immerhin haben wir den Tag ohne größere Katastrophen geschafft. Kommt Ihnen bekannt vor? So geht es laut Studien immer mehr Frauen, sie haben das Gefühl: Mit den Anforderungen, die an sie gestellt werden, würden Männer zum Beispiel schon mal gar nicht mehr klarkommen. Deshalb: Schluss damit! Ziehen wir die Reißleine – ehe die Belastungen gefährliche Spuren hinterlassen. Entwickeln wir endlich mehr Empathie für uns selbst! Neue Forschungen zur Stressbewältigung zeigen, wie es geht.
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50 Prozent der Deutschen fühlen sich gestresst
Immer häufiger stellt er Stress-Symptome bei den Menschen fest. Professor Dr. Tobias Esch von der Uni Witten forscht über Gegenstrategien
Warum sollten wir dringend umdenken?
Professor Dr. Tobias Esch: Die Fakten sprechen für sich: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Stress als einen der größten Krankheitsverursacher im 21. Jahrhundert ausgemacht. Das erfordert Maßnahmen. In Zukunft müssen wir uns dringend damit beschäftigen, wie wir besser mit unseren Energien umgehen. Indem wir uns auf uns selbst besinnen, unsere Bedürfnisse kennenlernen und achten. Das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern mit "Selbst-Bewusstsein".
Woher kommt der ganze Stress, oder machen wir ihn selbst?
Rationalisierungsmaßnahmen und der technische Fortschritt haben das Tempo enorm beschleunigt. Die Erwartungen an jeden Einzelnen sind immens. Die Folge ist Druck, und zwar in fast allen Berufsgruppen. Inzwischen hat dieses Effektivitätsstreben auch auf unseren ganzen Lebensstil abgefärbt. Selbst am Wochenende sind wir durchgetaktet. Was fehlt, ist der Rhythmus, unser Rhythmus. Denn im Gegensatz zu den Anforderungen hat sich unser Körper biochemisch seit Jahrtausenden kaum verändert.
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Was genau passiert bei Stress im Körper?
Geraten wir in Hektik, selbst wenn es nur gedanklich ist, kommen viele Prozesse in Gang. Es werden Stresshormone ausgeschüttet, die unter anderem Herzfrequenz und Blutdruck erhöhen. Gleichzeitig wird alles gehemmt, was nicht unmittelbar für Kampf oder Flucht gebraucht wird, etwa der Magen-Darm-Trakt. Dazu wird Kortisol freigesetzt, das auf Dauer auch unser Immunsystem schwächt.
Mit welchen Folgen?
Je nach Konstitution kann es zu Herz-Kreislauf-Problemen kommen, zu Bluthochdruck, Arthritis oder chronischen Darmerkrankungen, außerdem zu Hautproblemen, häufigen Infektionen oder Kopf- und Rückenschmerzen. Aber auch die Seele leidet, bis hin zu Angstzuständen, Panikattacken oder Depressionen. So weit muss es aber nicht gehen. Wenn wir unsere Einstellungen und Gewohnheiten ändern, können wir diese Krankheiten vermindern. Es ist Zeit, die Verbindung von Körper, Geist und Seele anzuerkennen und zu respektieren!
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Der schnelle Selbsttest im Video zeigt es! Gehen Sie folgende Fragen so ehrlich wie möglich durch: Wie viele davon können Sie mit Ja beantworten? Lesen Sie unter dem Video weiter, wie Sie den Stress in acht Punkten entgegenwirken.
8-Punkte-Plan: Wege aus dem Stress
1. Den Autopiloten ausschalten
"Der erste Schritt ist der schwierigste", sagt Prof. Dr. Esch. "Denn in akuten Stresssituationen ist unser Denken eingeschränkt. Wir durchschauen nicht, was gerade passiert, sondern funktionieren nur noch." Umso wichtiger ist es, die wachen Momente zu nutzen. Momente, in denen wir uns eingestehen, dass der Alltag zum kräftezehrenden Marathon geworden ist, und wir uns fragen: Was tue ich da? Tut mir das noch gut? Dann nehmen wir vielleicht auch das Drücken im Magen wahr, das komische Gefühl im Brustraum ... Wir werden empathisch mit uns selbst. Eine Grundvoraussetzung für mehr Selbstfürsorge!
2. Zeit für ein Update
Auf zur Ursachenforschung: Was genau läuft da aus dem Ruder? Laut Burnout-Forschung ist "fehlender Sinn" ein wichtiger Risikofaktor. Was meist heißt: Wir stecken in einem Leben fest, das nicht zu unseren Werten und Visionen passt. Egal ob aus falsch verstandener Selbstdisziplin oder weil wir die Erwartungen anderer erfüllen. "Wer Stress reduzieren möchte, sollte in seinem Inneren forschen", so Prof. Dr. Esch. "Was macht mich aus? Was hat für mich Bedeutung? Wir sind unglaublich belastbar, wenn wir Dinge tun, die uns am Herzen liegen. Aber fehlt der Sinn, bricht das Kartenhaus unter Stress zusammen."
3. Spielball oder Dirigent?
Überprüfen Sie einmal Ihr Selbstbild. Glauben Sie, dass Sie der Navigator Ihrer Welt sind? Oder finden Sie, dass Sie eher wenig Einfluss auf Ihre Lebensumstände haben? Sie merken schon: Die Haltung macht den Unterschied! Auch wenn wir viele Ereignisse in unserem Leben nicht steuern können, so haben wir doch die Möglichkeit zu entscheiden, wie wir sie bewerten und wie wir darauf reagieren. Das macht uns freier und resistenter. Das Schöne ist: Es ist nie zu spät, seine Gedanken umzuprogrammieren!
4. Ziele (und Träume) fest vor Augen haben
"Stecken Sie sich konkrete Ziele. Das weckt Hoffnung, gute Laune und das Gefühl: Ich schaffe das!", rät Prof. Dr. Esch. Verfassen Sie in einer ruhigen Minute drei Wunschzettel. Was möchten Sie in der nächsten Woche, in fünf Jahren und in zehn Jahren erreicht haben? Zum Beispiel eine bessere Work-Life-Balance? Spielen Sie gedanklich durch, wie ein erster Schritt dazu aussehen kann. Vielleicht ein Gespräch mit Ihrem Partner über die Aufteilung der Hausarbeit?
5. Feiern Sie Ihre Kraftquellen
Was gibt Ihnen Energie? Welche Menschen, Orte, Situationen? Vergewissern Sie sich dieser Stärken immer mal wieder, das tut gut. Studien zeigen: Gerade die Wahl unserer Kontakte hat großen Einfluss auf unsere Kraft-Batterien. Pflegen Sie Ihre Freundschaften. Bauen Sie neue auf, falls Sie merken, dass soziale Kontakte geringer werden. Und zeigen Sie Ihren Freunden, wie wichtig sie Ihnen sind. Es fühlt sich gut an, zu wissen, dass da jemand ist, der hilft, wenn es nötig ist.
6. Eröffnen Sie ein Schritte-Konto
Körper und Seele beeinflussen sich gegenseitig, selbst wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Wer zum Beispiel stundenlang gekrümmt vor dem Bildschirm verharrt, fördert negative Gedanken. Daher geht es beim Thema Stress immer auch um die richtige Body-Mind-Balance. Prof. Dr. Esch: "Bewegen Sie sich regelmäßig und moderat, am besten 30 Minuten am Tag. Die können Sie in fünf-Minuten-Blöcke aufteilen: der Weg vom Parkplatz ins Büro, der Gang im Treppenhaus, die Runde abends um den Block ..."
7. Die richtige On-Off-Balance
Pause machen? Keine Zeit! In unserer schnellen Zeit werden Erholungsphasen gern wegrationalisiert. "Viele Menschen müssen erst wieder lernen, richtig zu entspannen. Nämlich nicht mit TV-Berieselung und so viel Wein, bis man die nötige Bettschwere hat. Es geht auch darum, Raum zu schaffen fürs Nichtstun. Und uns vom Zwang zu befreien, ständig effektiv zu sein", so Prof. Dr. Esch. "Suchen Sie sich Ihre persönlichen Wohlfühl-Nischen. Etwa Spaziergänge im Wald, Yoga-Übungen, Chorsingen, Malen oder Gartenarbeit. Und sorgen Sie für genügend Schlaf!“
8. Das perfekte Dinner
"In Rush-Zeiten stellt sich unser Körper oft selbst eine Falle. Das Gehirn signalisiert: Ich brauche Energie, und zwar flott. Dann greifen wir zu süß, fett und viel", weiß der Gesundheitsforscher. Aber das macht noch müder. Die Alternative? Nein, keine Diät. Der Wissenschaftler empfiehlt die mediterrane Küche. Mit viel Obst und Gemüse wie Tomaten und Brokkoli, kaltgepresstem Olivenöl, Kräutern, Seefisch wie Lachs und wenig Fleisch und Wurst. Am besten in Gesellschaft – für eine Extraportion Glückshormone!
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