Wenn Freundschaften zerbrechen: Was hat das mit mir zu tun?
Die Hamburger Journalistin und Autorin Dorothee Röhrig ('Die fünf magischen Momente des Lebens') hat in ihrem neuen Buch untersucht, woran Frauenfreundschaften zerbrechen und wie wir daran wachsen können.
Wer oder was ist schuld daran, wenn (beste) Freundinnen irgendwann getrennte Wege gehen? Und bietet uns dieses schmerzliche Erlebnis vielleicht auch die Chance, dass wir durch unseren eigenen Anteil an der gescheiterten Freundschaft etwas für uns selbst lernen können? Dorothee Röhrig schildert in ihrem aktuellen Buch 'Aus und vorbei! Woran Frauenfreundschaften zerbrechen und wie wir daran wachsen' (Verlag Kailash, 15 Euro), warum Freundschaften gerade für Frauen einen so hohen Stellenwert haben und wieso ein verletzender Bruch auch ein Antrieb zur persönlichen Weiterentwicklung sein kann.
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Freundschaften können an vielen Hürden zerbrechen
Die Autorin erzählt in diesem Zusammenhang nicht nur die Geschichten von Frauen zwischen Ende 30 und Anfang 80, sondern lässt uns auch an ihren eigenen problematischen Freundschaften teilhaben und hat den Rat diverserer Expertinnen und Experten eingeholt. Dorothee Röhrig schafft dabei auf einfühlsame Weise die Möglichkeit zur Selbsterkenntnis und gibt Anhaltspunkte dafür, wie sich eine zum Beispiel durch Konkurrenzdenken, Umzüge oder Vertrauensbrüche angeknackste Freundschaft vielleicht doch noch kitten lässt.
Auch in diesem Video sehen Sie ein paar Tipps dazu, wie sich eine Freundschaft wiederbeleben lässt (Artikel geht unten weiter):
Als kleine Leseprobe haben wir für Sie hier einen Auszug aus dem Buch 'Aus und vorbei! Woran Frauenfreundschaften zerbrechen und wie wir daran wachsen', in dem Dorothee Röhrig aus ihrem Leben erzählt.
Den eigenen Anteil am Konflikt sehen und verstehen
Um es vorwegzunehmen: Die Geschichte ging gut aus. Ich vermute, weil meine Freundin mit mir Schluss machte und ich mir Fragen stellen musste. Das hat geholfen. Denn auch die schönste Phase im Leben hat ihre Tücken. Ich weiß das, seit Hannah sich aus meinem Leben verabschiedete.
Unsere Freundschaft geriet genau zu der Zeit in eine Schieflage, als mir das Lebensglück nur so aus den Augen strahlte. Ich war rettungslos verliebt und sicher, endlich den Richtigen gefunden zu haben. Doch jedes Mal, wenn ich an meine Freundin Hannah dachte, fiel ich aus dem Paradies. Ein schwerer Stein legte sich auf meine Brust, und die Leichtigkeit floh aus meiner Seele. Die Sache ist einige Zeit und eine gute Entwicklungsstufe her. Ich durfte damals erkennen, welche Macht eine beste Freundin besitzt. Mit einem einzigen Satz konnte sie mein Liebesglück trüben, mir Schuldgefühle machen, mich zu fadenscheinigen Ausreden und anschließend zum Grübeln zwingen. Die Krise mit Hannah hat mir gezeigt, wie sehr sich unterschiedliche Lebensumstände im Weg stehen können. Und dass Glück einsam machen kann, auch und gerade in einer Frauenfreundschaft.
Hannah und ich sind seit Ewigkeiten eng befreundet. Sie ist Ärztin und war damals alleinerziehend mit einem fast erwachsenen Sohn, für den sie alles gab. Ihre letzte Partnerschaft lag Jahre zurück. Sie sehnte sich nach Liebe, aber unternahm wenig, um einen Mann kennenzulernen: "Keine Zeit, zu viel um die Ohren." Einmal verabredete sie sich, ausgerechnet mit jemandem, der sie schon nach einer halben Stunde entsetzlich langweilte. "Da bin ich lieber allein und lese ein Buch."
In diese Stimmung platzte ich mit meinem neuen Freund. Verknallt, dass die Wände wackelten. Ich konnte mein Glück nicht fassen, es sprudelte nur so aus mir heraus. Hannah und ich telefonierten, sooft wir konnten. Anfangs wollte sie alles wissen über die Gunst meines Schicksals, und ich gab bereitwillig Auskunft. "Dir geht's echt gut. Ich freu mich für dich.« So reagierte sie, nur wurde ihre Stimme mit der Zeit müder und verlor ihren freudigen Ton. Die Tage häuften sich, wo ich überlegte, wie ich Hannah einen bevorstehenden Premierenabend, das Wochenende in den Bergen, die Einladung bei seinen Freunden schonend beibringen könnte. Oder auch nur den Wunsch, lieber für meinen Freund zu kochen, statt mit ihr zum Italiener zu gehen.
"Was machst du denn so an diesem schönen Sommerabend?" Das waren die Anrufe, die ich fürchtete. Sofort fühlte ich mich schuldig für mein Glück und verantwortlich für ihr Unglück. Verstrickte mich in Ausreden, um sie zu schonen, und fühlte mich dabei immer schlechter. "Ich bleibe zu Hause, habe scheußliche Kopfschmerzen." Ich erfand Notlügen, die den Schein wahren sollten, ich hätte auch nichts Besseres vor als sie. Um dann mit meinem Freund essen zu gehen in der blöden Sorge, Hannah könnte mich zufällig irgendwo entdecken.
"Du fixierst dich zu sehr auf ihn. Sei doch mal du selbst." Dieser Vorwurf hatte mir gerade noch gefehlt. Ich schluckte die Wut auf Hannah herunter und grämte mich. Warum war sie so? Was hatte das mit mir zu tun? Wie kam ich raus aus der Zwickmühle zwischen neuem Freund und bester Freundin? Hannahs Lust auf unsere Freundschaft ließ spürbar nach. Sie wolle nicht fünftes Rad am Wagen sein, so leitete sie ihren Rückzug ein. Irgendwann, als ich wieder mal keine Zeit und nur schlechte Ausreden hatte, schlug sie die Tür hinter sich zu mit den Worten: "Komm erstmal runter. So hat das keinen Sinn mit uns." Ich war todtraurig. Und sauer, weil sie mir mein schönes Gefühl vermieste. Mir ständig einen Dämpfer verpasste und mich schuldig sprach für meine Lebensfreude.
Hannah war weg, aber sie ließ mir keine Ruhe. Was ist bloß schiefgelaufen?, diese Frage quälte mich. Ich überlegte, ob ich sie mit meinem Liebesglück überfordert und mein Herz zu weit geöffnet hatte. Hätte ich mehr Rücksicht auf sie nehmen müssen? Hatte ich mich zu wenig in ihre Situation als Single eingefühlt?
Wenn ich sehr emotional bin, empinden mich andere manchmal als dominant. Obwohl dann nur mein Temperament mit mir durchgeht und ich doch niemanden überrollen möchte. Aber so kann ich wirken. Auch auf Hannah? "Lass die Schmetterlinge in deinem Bauch. Wenn sie rausliegen, fressen sie den Garten auf", riet mir mal eine Freundin. Vielleicht zu Recht. Sollte ich künftig vorsichtiger sein, weniger mitteilsam, mehr bei mir bleiben?
Dazu der andere wunde Punkt: Warum erinde ich unwürdige Ausreden, statt ehrlich zu sein? Hannah und ich redeten immer Klartext. Plötzlich diese Heimlichkeiten von meiner Seite. Warum? Hat sie das gespürt? Wovor habe ich Angst? Warum überhaupt Schuldgefühle? Als ob mir mein Glück nicht zustünde! Glaube ich das etwa selbst? Ist Glück nur was für andere, und habe ich kein Recht darauf? Hat das mit meiner Erziehung zu tun? Ich überlegte, erkannte vorsichtig Zusammenhänge und erlebte, wie sich meine Wirbelsäule langsam aufzurichten schien. Wie von selbst wuchs ich nach oben, während ich nachdachte. Nein, ich kann nicht ändern, was zwischen Hannah und mir geschehen war. Aber ich werde auch nicht am Boden liegen, sondern meine Liebe genießen. Was auch sonst!
Hätte sich Hannah anders entschieden, wenn ich meinen Freund weniger und sie mehr getroffen hätte? Sie ist doch verantwortlich für ihr Leben. Für ihr Glück wie für ihr Unglück. Für ihre Eifersucht, ihr Selbstmitleid, ihre unguten Gefühle mir gegenüber. Ich solle mich nicht so fixieren auf meinen Freund. Kann man als Single leicht sagen! Trotz mancher Kompromisse genieße ich das Leben mit einem Mann, und mit diesem ganz besonders! Liebend gern lasse ich mich auf ihn ein. Dabei gebe ich mich doch nicht auf ... oder ... etwa doch ein wenig? Könnte ein Körnchen Wahrheit in Hannahs Vorwurf sein? Ich werde mich beobachten. Versprochen, Hannah! Danke für die Warnung! Ich liebe dich immer noch. Und möchte dir nicht wehtun. Sollten wir uns irgendwann treffen, werde ich mich zurücknehmen. Nicht ganz so sprudeln. Einfühlsamer sein und erwachsener. Nachfragen, statt mich nur um mich selbst zu drehen. Das entspricht mir auch mehr.
So wanderten meine Gedanken hin und her. Hannahs Rückzug gab mir die Chance, über mich und meinen Beitrag zu unserer Krise in der Freundschaft nachzudenken. Es war an der Zeit. Die Sehnsucht hat uns wieder zusammengebracht. Unsere Freundschaft hat den Knacks überlebt. Sie fühlt sich freier an als vorher. Ich verbiege und rechtfertige mich nicht mehr. Hannah ist offener und großzügiger geworden. Wahrscheinlich deshalb. Wir gehen vorsichtiger miteinander um, aber auch ehrlicher. Beides zusammen ergibt eine neue Leichtigkeit.
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