Zweitmeinung beim Arzt: Zweifeln immer nachgehen
Einen ärztlichen Befund überprüfen zu lassen ist Ihr Recht, doch was gibt es bei einer Zweitmeinung zu beachten?
Auch wenn wir unserem Arzt vertrauen – es ist ganz normal, dass nach einer Therapieempfehlung manchmal eine Restunsicherheit bleibt und wir uns fragen: Gibt es eine Alternative? Und ist diese vielleicht sogar besser für mich?
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Um mehr Sicherheit bei der Entscheidungsfindung zu bekommen, raten Experten, eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Darunter versteht man eine unabhängige Beurteilung einer Erkrankung und die Therapieempfehlung durch einen anderen Mediziner. Doch wie funktioniert das?
Liebenswert sprach hierfür mit der Juristin Anja Lehmann von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland. Die UPD berät Patienten und Patientinnen in allen gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen, die bei Verbrauchern im Umgang mit Ärzten und Krankenkassen aufkommen.
Ärzte haben manchmal verschiedene Ansichten
Das ist nicht nur wichtig, weil Ärzte unterschiedlich beraten und daher auch oft verschiedene Standpunkte und Therapieansätze vertreten. So kann z. B. der eine Orthopäde zu einer schnellen Operation raten, während sich ein anderer eher zurückhaltend äußert und noch andere, eventuell konservative Behandlungsmöglichkeiten in Betracht zieht. Beide Fachärzte können zwar für ihre jeweilige Position gute Gründe haben – sich aber ebenso durchaus mal irren.
So zeigt eine Studie, dass jede fünfte OP, bei der ein neues Hüftgelenk implantiert wird, nicht unbedingt nötig wäre. Zwar führte eine zweite Einschätzung laut der Studie bei mehr als 70 Prozent der Betroffenen zur Bestätigung der Diagnose Hüftarthrose. Aber nur in 21 Prozent der Fälle wurde ein entsprechender medizinischer Eingriff empfohlen. Solche Studien können verunsichern und den Wunsch nach einer weiteren Meinung erhöhen. Doch wann ist diese nötig?
Die Expertin Anja Lehmann erklärt:
"Eine zweite Meinung ist immer sinnvoll, wenn der Patient sich schlecht informiert fühlt. Dies gilt besonders für Operationen, bei denen nicht ausreichend über deren Notwendigkeit oder Alternativen aufgeklärt wurde. Kommen hier Zweifel an der Behandlung, lohnt es sich eine zweite Meinung einzuholen. Vor allem bei schwerwiegenden Maßnahmen wie einer Amputation. Das sogenannte "qualifizierte Zweitmeinungsverfahren" zählt solche Eingriffe auf, bei denen der Patient Rechtsanspruch auf eine zweite Meinung hat. Empfiehlt der Arzt eine dieser Maßnahmen, muss er den Patienten über diesen Anspruch aufklären. Ein Arzt, der für eine Zweitmeinung zurate gezogen wird, muss in seiner Fachrichtung besonders qualifiziert sein. Im Internet gibt es hierfür eine Liste, mit der man sich über solche Fachärzte informieren kann."
Die bestmögliche Therapie ausarbeiten
Bei planbaren Operationen raten die Krankenkassen daher sogar, vom rechtlichen Anspruch auf eine Zweitmeinung Gebrauch zu machen. Auch für medikamentöse Therapien gilt: Fragen Sie, ob es andere Methoden gibt, die zuerst ausgeschöpft werden sollten. Diese erfordern zwar oft Geduld, sind aber meist schonender. Bei einer unterschiedlichen Einschätzung von Erst- und Zweitmeinung sind übrigens beide Ärzte verpflichtet zu kooperieren – um sich dann gemeinsam auf die beste Therapie zu verständigen.
Falls ein Arzt sich aber weigern sollte, Sie beim Wunsch nach einer zweiten Meinung zu unterstützen, rät Frau Lehmann:
"In einem vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnis sollte der Wunsch nach einer zweiten Meinung unterstützt und ohne Angst angesprochen werden können. Damit stellt man nicht die Kompetenz des Arztes in Frage. Sträubt dieser sich gegen den Wunsch einer zweiten Meinung, sollte man auf sein Bauchgefühl hören. Fühlt sich der Patient nicht ausreichend aufgeklärt, sollte unbedingt ein zweiter Arzt befragt werden."
So gehen Sie dabei vor
Wer das Einholen einer Zweitmeinung plant, sollte seinen behandelnden Arzt darüber informieren und um Aushändigung von bereits erfolgten Befunden oder Gutachten bitten, um sie dem Zweitarzt vorzulegen. Mit dessen Therapie- und Handlungsalternativen können wir dann unsere gesundheitliche Situation besser verstehen und leichter eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen. Alle Leistungen, die eine ärztliche Zweitmeinung betreffen, werden über die Krankenkasse abgerechnet. Von welchem Arzt wir uns schließlich behandeln lassen, können wir per Gesetz frei entscheiden. Weitere Tipps der Expertin sind:
"Es gibt drei Wege, um sich eine Zweitmeinung einzuholen. Der erste ist die freie Arztwahl. Daraus ergibt sich für jede Art von Behandlung das Recht, einen anderen Arzt oder Ärztin zu wählen. Bei bestimmten planbaren Eingriffen kann eine zweite Meinung über das "qualifizierte Zweitmeinungsverfahren" eingeholt werden, bei dem der Patient von einem besonders qualifizierten Facharzt eine zweite Meinung einholen kann. Auch viele Krankenkassen haben Zweitmeinungsangebote für ihre Versicherten. Man kann sich diesbezüglich direkt bei seiner Krankenkasse erkundigen."
Drittmeinung beim Arzt einholen?
Sie haben sich eine zweite Meinung eingeholt und sind immer noch verunsichert? Wie sieht es nun mit einer dritten Meinung aus? Kann diese so einfach beansprucht werden? Auch hier weiß die Expertin:
"Theoretisch ja. In der Regel ist aber eine langfristige Zusammenarbeit zielführender als ein häufiger Arztwechsel. Es ist oft nicht hilfreich zu viele verschiedene Meinungen einzuholen. Das kann zu zunehmender Verunsicherung, unnötigen und belastendenden Doppeluntersuchungen und einer Chronifizierung der Beschwerden führen. Wichtig ist es eher, einen Arzt zu finden, mit dem man langfristig und vertrauensvoll zusammenarbeiten kann und ggf. Überweisungen an andere Fachärzte abstimmt."
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