Ich war pflegende Angehörige, jetzt lebt meine demente Mutter im Heim
Meine Zeiten als pflegende Angehörige sind vorbei, ich habe meine demenzkranke Mutter in einem Pflegeheim untergebracht. Der Weg dorthin war für uns beide langwierig und schwer.
Die Diagnose Demenz erschütterte im Jahr 2018 das Leben von meiner Mutter und mir. Von einem Tag auf den anderen musste ich die Rolle der pflegenden Angehörigen einnehmen und die Versorgung meiner Mutter übernehmen. Eine schwere Zeit für meine Mutter und mich. Denn das Tückische an Demenz ist unter anderem, dass Betroffene die Krankheit oft leugnen und die Diagnose schlichtweg vergessen.
Dementsprechend fühlte sich meine Mutter von Hilfestellungen bevormundet und lehnte jedes Hilfsangebot ab.
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Kann ich meine demente Mutter gegen ihren Willen ins Heim bringen?
Eine Frage, die ich eigentlich nie stellen wollte. Vor ihrer Demenzerkrankung bestand meine Mutter stets darauf, dass ich sie in einem Pflegeheim unterbringen soll, wenn es nötig wird. Doch die Krankheit verändert den Menschen. "Abschieben willst du mich also", beschimpfte Mama mich plötzlich, wenn wir gemeinsam mit ihrem behandelnden Arzt besprachen, wie es künftig mit ihr weitergehen soll.
Meine Mutter war nicht bereit, etwas zu unternehmen, was den Fortschritt ihrer Demenz zumindest verlangsamen würde. Auf Sportangebote für Senioren hatte sie keine Lust, Lesen fand sie langweilig. Ich schleppte Rätselhefte an, um sie dann Monate später unberührt wieder zu entsorgen, organisierte einen der raren Plätze in einer Einrichtung für Tagespflege: "Da gehe ich nie wieder hin, da sind nur alte Dackel."
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Ein Pflegedienst, der zweimal täglich dafür sorgte, dass meine Mutter ihre Tabletten nimmt, ihr ein Glas Wasser und eine Mahlzeit bereitstellte, konnte langfristig nicht alles auffangen. Einkaufen, Wäsche waschen, Haushalt machen, ihre Termine organisieren, ihre Geschäftsangelegenheiten verwalten, Mama unter die Dusche schicken, für Maniküre und Pediküre zu sorgen, diese Aufgaben lagen bei mir. Dass sie vergisst, sich bei Minustemperaturen eine warme Jacke anzuziehen, vergisst zu gucken, ob ein Auto kommt, bevor sie eine Straße überquert, vergisst zu essen, zu trinken, all das konnten meine Besuche zweimal wöchentlich nicht verhindern und auch der Pflegedienst konnte das nicht abdecken.
Ich musste mich mit der Frage auseinandersetzen, ob ich meine demenzkranke Mutter gegen ihren Willen in einem Heim unterbringen kann. Ob dies rechtlich möglich ist und noch viel wichtiger, ob ich diesen Schritt mit meinem Gewissen vereinbaren kann.
Mittlerweile lebt Mama im Heim und das ist auch gut so
Die Launen meiner Mutter schwankten, manchmal bewertete sie eine Umsiedlung in ein Seniorenheim als vernünftige Maßnahme zu ihrem Wohle. An anderen Tagen wurden mir bittere Vorwürfe gemacht. Ich suchte trotzdem nach einer passenden Einrichtung für Mama und setze sie auf die Warteliste. Eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht hatte meine Mutter mir zum Glück lange vor ihrer Erkrankung ausgestellt. Zusätzlich holte ich mir Rat beim Familiengericht.
§ 1906 (BGB)
Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil
1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder
2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, die Maßnahme ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.
Natürlich darf niemand gegen seinen Willen grundlos in ein Pflegeheim umquartiert werden. In § 1906 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist dies klar festgelegt.
Da eine Vorsorgevollmacht vorlag, welche meine Mutter lange vor ihrer Erkrankung ausgestellt hat und der Fortschritt ihrer Demenz in ärztlichen Attesten dokumentiert war, hätte ich Mama auch gegen ihren Willen in einem Pflegeheim unterbringen können. Doch zum Glück kam es nicht dazu.
Zu jedem Zeitpunkt habe ich mit Mama darüber gesprochen, dass der Umzug in ein Heim für Demenzpatienten unausweichlich ist. Ihre unterschiedlich ausgeprägten Reaktionen musste ich aushalten, besprach mit ihr alles in Ruhe und erklärte ihr, warum sie in ihrem Zustand in einem Pflegeheim besser aufgehoben ist, als alleine zu Hause.
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Nach eineinhalb Jahren auf der Warteliste kam der Anruf, dass ein Zimmer für meine Mutter frei wäre, zwei Tage später konnte sie bereits einziehen. Natürlich flossen Tränen, als wir sie von zu Hause abgeholt haben. Als wir im Pflegeheim ankamen, wusste Mama nicht mehr, wo sie war, warum sie hier war, dass sie nun in diesem Zimmer mit Gartenblick leben wird.
Wir haben ihr alles nochmal erklärt und es flossen nochmals Tränen. Doch letztendlich hat Mama sich schnell in ihrer neuen Umgebung eingelebt und ich weiß, dass sie bestens versorgt und in Sicherheit lebt.