Nach Streisands Geschichte

Klonen von Haustieren: Was kostet ein Hundeleben?

Wird das Klonen von Haustieren bald zur Normalität? Für Hollywood-Star Barbra Streisand ist das offenbar schon der Fall. Was das Klonen mit uns als Gesellschaft macht. Ein Kommentar von Kerstin Ammermann.

Barbra Streisand hat ihren Hund klonen lassen
Zwei Hunde tollen über eine Wiese. Wird es in einigen Jahren schon normal sein, dass man Haustiere einfach klonen lässt? Foto: Alona Rjabceva / iStock
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"Ich wollte sie auf einer Art bei mir behalten"

Der Verlust eines geliebten Haustieres ist für viele Besitzer ein Schock. Sie trauern um ihr Tier, das in vielen Fällen Teil der Familie war. So muss es auch Barbra Streisand ergangen sein. Was sie dann tat? Sie ließ Hündin Samantha klonen. Die Sängerin erklärt in einem Artikel der New York Times, warum sie diesen Schritt ging. "Ich war so am Boden zerstört […], dass ich sie einfach auf einer Art bei mir behalten wollte. Es war einfacher für mich, Sammie gehen zu lassen, als ich wusste, dass ich einen Teil von ihr am Leben lassen konnte, etwas, das von ihrer DNA kommt."

Kurz vor dem Tod ihrer Hündin, die sie einst als Geschenk ihres Mannes bekam, ließ sie DNA-Proben entnehmen. Daraus entstanden in einem Labor in Texas, das sich auf das Klonen von Haustieren spezialisiert hat, vier geklonte Welpen. Da sie mittlerweile schon zwei andere Hunde aufgenommen hatte, gab Streisand zwei der Klone an Freunde, die anderen beiden nahm sie bei sich auf.

Die im Jahre 2017 geklonten Hunde Miss Violet und Miss Scarlett erfreuen sich auch 2020 noch bester Gesundheit. Um die beiden Klone voneinander zu unterscheiden, tragen sie jeder einen farbigen Hundepullover. Erst kürzlich zeigte Streisand ihre beiden Lieblinge wieder auf einem Foto in den sozialen Netzwerken.

Barbra Streisand mit ihren zwei geklonten Hunden (im Arm) und einem verwandten Hund:

Welchen Wert hat ein Leben?

Es ist eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Bei mir persönlich macht sich Unbehagen breit. Darf man das? Lebewesen klonen? Der Tod gehört meiner Meinung nach zum Leben dazu. Doch neben der persönlichen Meinung stellen sich auch Fragen der Gesellschaft. Wie verändert sich unser Umgang mit dem Thema Klonen? Wird das künstliche Reproduzieren von Tieren zur Normalität?

Das Klonen von Tieren an sich ist nichts Neues. 1996 sorgte bereits das erste geklonte Säugetier, Dolly, für Diskussionen. 2001 folgte die erste geklonte Katze, vier Jahre später bellte der erste geklonte Hund. Auch Sportpferde wurden bereits geklont. Die Kommerzialisierung des Klonens - es schwirren Zahlen von 50.000-100.000 US-Dollar für einen Hund herum – ruft viele Kritiker auf den Plan. Was kostet ein Leben? Viele fürchten, dass eines Tages auch das Klonen von Menschen zur Normalität werden könnte.

Risiken nicht außer Acht lassen

Ich wollte wissen, was die praktische Philosophie zu der Thematik sagt. Prof. Dr. Henning Hahn ist aktuell als Vertretungs-Professor im Institut für Philosophie an der Freien Universität Berlin. Er schreibt mir: "Die Debatte ums reproduktive Klonen ist ein Testfall für so gut wie jede Moraltheorie. Für viele verletzt das reproduktive Klonen schlicht und ergreifend ein grundsätzliches Tabu. Es ist gegen die Natur. Aus ethischer Perspektive ist es aber schwierig, Natürlichkeitsnormen zu begründen, weil das, was natürlich erscheint, von Zeit zu Zeit und Person zu Person variiert."

Neben dem Wandel der Zeit und der damit gegebenen möglichen Veränderung der Bewertung des Klonens, spielen auch andere Aspekte eine Rolle. Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob das Leben in Zeiten von künstlicher Reproduzierbarkeit an Wert verliere, so Professor Hahn. Eben so wenig darf vergessen werden, dass die Prozedur des Klonens über Leihmutterschaft viele Risiken birgt. "Auf einen erfolgreich geklonten Hund kommen heute zwei Fehlgeburten, was ein klares und meines Erachtens unverhältnismäßiges Schadensrisiko darstellt." Im Fall der Hündin von Barbra Streisand ist nicht bekannt, wie viele Versuche das Klonen gebraucht hat.

Die Seele ist nicht klonbar

Barbara Streisand hat gewiss eine spezielle Form des Trauerns gefunden, wenn man es denn als solches bezeichnen möchte. Wer Haustierbesitzer ist, muss sich in den meisten Fällen damit auseinandersetzen, dass die Lebensdauer des Tieres die des Menschen stark unterschreitet. Für die Schauspielerin war der Schmerz über den nahenden Verlust aber offenbar so groß, dass sie zumindest nichts unversucht ließ, um das Gefühl zu haben, dass Samantha noch bei ihr ist. Doch Streisand hat keine Kopie bekommen. "Du kannst das Aussehen eines Hunds klonen, aber du kannst nicht ihre Seele klonen", schreibt Streisand zum Abschluss in der NYT. "Doch jedes Mal wenn ich in ihre Gesichter gucke, denke ich an meine Samantha … und lächle."

Streisands geklonte Hunde besuchen das Grab der verstorbenen Hündin, aus deren Genmaterial sie geklont wurden:

Ob sie das nicht auch einfach durch ein schönes Foto oder Gemälde ihrer Hündin hätte haben können, überlege ich? Versucht sie nicht einfach nur, den Abschied künstlich zu verlängern? Auch ihre neuen Hunde werden einmal das zeitliche Segnen. Ob sie dann wieder zum Kunden eines Klonlabors wird, weiß nur Streisand selbst. Es mutet auch reichlich kurios an, wenn Barbara Streisand ihre Klone in einem Buggy zum opulenten Grab ihrer Hündin Samantha fährt. "Meine kleinen Mädchen betrachten ihre Mutter auf dem Grabstein“, schreibt Streisand dazu. Doch die Schöpfung selbst, sie fand in einem Klonlabor statt, das aus der Trauer um Haustiere Profit schlägt. Und darin liegt für mich das größte Problem: Es geht hier nicht um eine medizinische Notwendigkeit. Das Tier aus dem Klonlabor ist das Produkt der Sehnsucht nach Unsterblichkeit.

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