Gran Canaria: Kleiner Kontinent der Wunder
Gran Canaria ist vielfältig wie ein ganzer Kontinent, eine Insel voller Wunder, von der Sonne verwöhnt – besonders jetzt im Winter.
Ein Meer aus Gold. Unwirklich, unendlich. Wogende Wellen aus weichem Wüstensand. Las Dunas de Maspalomas – eine Traumlandschaft. Eine Welt zum Träumen. Manche Dünen sind mehr als 30 Meter hoch. Dort, wo sie den Ozean berühren, beginnt der zehn Kilometer lange Sandstrand. Barfuß über diesen Teppich aus Samt laufen. Zusehen, wie das Meer die Spuren verwischt. Gran Canaria – gerade jetzt, wenn zu Hause die trüben Tage beginnen, ist hier das absolute Paradies. Dann atmet die Insel vom Sommer-Trubel auf. Dann ist man fast allein am Strand von Maspalomas und in den verschlafenen Bergdörfern – Zeit für Langsamkeit.
Gran Canaria ist ein Naturwunder – mit unglaublicher Vielfalt. So lieblich die goldenen Strände sind, so wild und zerklüftet ist die Vulkanlandschaft im Inneren. Die höchste Erhebung im Zentrum ist der 1949 Meter hohe, erloschene Vulkan Pico de las Nieves – mit aufregendem Blick hinüber zu den Nachbarinseln Teneriffa und Fuerteventura. Gran Canaria wird von Geografen als „Miniaturkontinent“ beschrieben: Die Insel besitzt 14 verschiedene Mikroklimazonen, von den geheimnisvoll nebelverhangenen Lorbeerwäldern im Norden bis zur Vollwüste im Südwesten, in der rosafarbene Wüstengimpel umherstreifen – eine Vogelart, die vornehmlich in der Sahara lebt. Aus dem Bergland des Inselinneren führen viele Trockentäler, sogenannte Barrancos, bis an die Küste. Bei den seltenen Regenfällen, die dann aber sehr ergiebig sein können, füllen sich die Barrancos zu reißenden Sturzbächen – eine wilde, ursprüngliche Natur.
Winter auf Gran Canaria
Wir sind unterwegs ins Herz der Insel. Der alte Esel-Pfad ist längst asphaltiert, doch Vieh und Fahrzeug teilen sich bis heute die Straße. Die steilen, schroffen Klippen schieben ihr Passat-Nebelkleid beiseite. Die Morgensonne streift ihnen wenig später einen orangefarbenen Umhang über. „Steinernes Gewitter” hat der Dichter Miguel de Unamuno diese Berge genannt. Die Hand immer an der Hupe, wird jede Kurve mit dem quäkenden Signal entschärft. Eine letzte Serpentine, dann hat die wilde Strecke ein Ende: Wir sind in Artenara, einem Höhlendorf in 1250 Metern Höhe.
Die Eingänge zu den Felswohnungen leuchten strahlend weiß. Sogar die Kirche wurde in den weichen Fels gehauen, ihr gesamtes Inventar aus rotem Tuff gemeißelt: Altar, Beichtstuhl, Taufbecken; selbst Lesepult und Priesterstuhl sind aus Stein. Die Höhle „La Silla” setzt auf irdische Genüsse: Kaninchen, nachts in Mojo-Soße mariniert, tags darauf im Tontopf geschmort – „Conejo salmorejo”, das Nationalgericht der Kanaren. Wir probieren es auf der Terrasse des Höhlen-Lokals. Der sanfte Wind streichelt unsere Wangen, verstreut ein unwiderstehliches Aroma aus Frische, Sonne und Meer.
Dies ist die andere, die unbekannte Seite von Gran Canaria – eine der größten Gewinnerinnen der aktuellen Türkei-Krise. Wir sind nur 30 Kilometer im Inselinneren – und doch so weit weg von Bettenburgen und Touristentrubel. Selbst im Winter ist es stets um 20 Grad warm, das Meer nie kälter als 18 Grad. Sogar am kürzesten Tag des Jahres bleibt es elf Stunden lang hell. Gran Canaria, die drittgrößte der Kanaren, hat viele überraschende Gesichter.
Die Stadt mit dem besten Klima der Welt
Die Bergwelt La Cumbre ist nur eines davon. Sie ist durchzogen von einem dichten Netz von kleinen Wanderwegen: „caminos reales”, „Königswege” – Hirten legten sie vor Tausenden Jahren an. Heute ein traumhaftes Gebiet zum Wandern. Tejeda, ein verschlafenes Dorf, gilt als Hauptstadt der Cumbre. Wie von einem Balkon blickt man tief hinab in die steil abfallenden Terrassengärten. „Wenn unten das Gemüse reif ist, sind die Tomaten oben noch grün”, erzählt Eugénia, eine junge Bäuerin. Zitrusbäume und Wein, Agaven und Palmen wachsen hier. Üppige Geranien schmücken weiß gekalkte Fassaden. Der Dorfpolizist lehnt gelangweilt am grasgrünen Geländer. Und die Bäckersfrau wickelt köstliches Mandelgebäck in Seidenpapier.
Wir fahren weiter nach Teror. Patrizierhäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert mit holzgeschnitzten Erkern und Balkonen säumen die Calle Franco General. Das Kopfsteinpflaster führt schnurgerade zur Basilika „Nuestra Señora del Pino”. Hier wird die „Jungfrau von der Pinie”, die Schutzpatronin der Insel, verehrt. Und jeden Sonntag lockt ein bunter Bauernmarkt Tausende von Menschen an. Lauthals preisen die Verkäufer ihre „Chorizo de Teror” an, eine leuchtend rote Paprika-Wurst.
Las Palmas, die Insel-Hauptstadt, ist laut einer Studie der Universität von Syracuse (USA) die Stadt mit dem besten Klima der Welt. Jedes Viertel hat seinen ganz eigenen Charakter. Überraschend und verzaubernd. Am Parque San Telmo in der Altstadt stehen vor einem Jugendstil-Kiosk ein paar Tische. Nebenan spielen zwei alte Männer Domino. Selbstvergessen, der Zeit entrückt.
Wir bummeln am Strand von Las Palmas: Las Canteras. Die Abendsonne verleiht ihm ein sanftes Licht, der Sand aus in Jahrtausenden klein geriebenen Muschelschalen ist noch warm. Eine leise Magie. Und auf einmal ist es wieder da: dieses Meer aus Gold.
Sind Sie auf den Geschmack gekommen? Weitere schöne Reiseziele sind Neapel in Italien und Palma de Mallorca in der Nebensaison.
Quelle: Magazin TV Hören und Sehen