Wie steht es um Einsamkeit im Alter in Deutschland?

Politik, Projekte und aktuelle Entwicklungen: Wie es um Einsamkeit im Alter in Deutschland steht.

Einsamkeit im Alter: Wenn niemand da ist
Wenn niemand da ist und der Tag einfach nicht vergeht: Eine Seniorin schaut aus dem Fenster. (Symbolbild) Foto: KatarzynaBialasiewicz / iStock
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Einsamkeit ist ein Empfinden, das in allen Altersgruppen vorkommt – und damit Millionen Menschen in Deutschland betrifft. Doch eben auch ältere Menschen sind aus den unterschiedlichsten Gründen einsam. Wir erklären, was aktuell in Großbritannien zum Thema Einsamkeit passiert und sprechen mit einem Bundestagsabgeordneten, über die Problematik in Deutschland. Außerdem stellen wir eine Aktion in Hamburg vor, die bereits seit Jahren für einsame Menschen eintritt.

Großbritannien gründet Einsamkeits-Ministerium

Großbritannien will das Thema Einsamkeit in den nächsten Jahren konkret angehen. Dort wurde im Januar 2018 ein sogenanntes Ministerium für Einsamkeit beschlossen. Staatssekretärin Tracey Crouch ist dafür verantwortlich, im Auftrag von Theresa May etwas für die Menschen zu tun, "die niemanden haben, mit dem sie reden oder ihre Gedanken und Erfahrungen teilen können." Ein Idee, die sich auch in Deutschland umsetzen lässt? Der Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU lässt sich zumindest auf das Thema ein und will soziale Strukturen stärken. Festlegen, in welchem Rahmen dies passiert, will sich Marcus Weinberg, familienpolitischer Sprecher der CDU/CSU, nicht.

"Wichtig ist vor allem die Botschaft und der gemeinsame Wille etwas zu bewegen: Ja, wir erkennen und benennen das Thema Einsamkeit. Diesen Begriff hat man bisher selten in politischen Diskussionen gehört", so der Hamburger Politiker im Liebenswert-Interview. "Es ist sehr interessant, dass Großbritannien nun einen Beauftragten dafür geschaffen hat. Entscheidend muss aber doch sein, dass wir den Betroffenen gute und nachhaltige Angebote machen können. Insofern muss man überlegen, wie und in welchem Ministerium man das verankern könnte. Unterm Strich sollte man das sehr offen und partei- und ressortübergreifend diskutieren." Er verweist außerdem darauf, dass es bereits Angebote gibt, die soziales –und generationenübergreifendes Miteinander stärken.

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So steht es um Einsamkeit im Alter in Deutschland

Auch ein Sprecher des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) verweist auf die Anfrage von Liebenswert hin auf Maßnahmen, die bereits umgesetzt werden. Darunter sind zum Beispiel die Mehrgenerationenhäuser, die eine Begegnung zwischen Menschen aller Generationen ermöglichen sollen: "Mit bedarfsgerechten Angeboten schaffen sie nachbarschaftliches Miteinander und stärken die Gemeinschaft vor Ort", so ein Sprecher des Ministeriums. Darüber hinaus bestätigt das BMFSFJ, dass das Thema Einsamkeit "trotz der Vielfalt an Lebensformen und Angeboten für jedes Alter" ein Thema ist.

Deshalb ist dies auch ein Aspekt, der im Deutschen Alterssurvey, gefördert vom BMFSFJ, untersucht wird. Vorangegangene Befragungen haben ergeben, dass "Menschen in der zweiten Lebenshälfte heute etwas seltener einsam [sind] als noch vor 20 Jahren".

Doch trotzdem ist es ungefähr jeder zehnte der 40-bis 69-Jährigen, die sich 2014 einsam fühlten, und 7,1 Prozent bei den 70-bis 85-Jährigen. Während der Pandemie nahm diese Zahl drastisch zu. Nach Einschätzung der Stiftung Patientenschutz ist Einsamkeit die größte Volkskrankheit in Deutschland.

Genau diese Menschen sind es, die keine Lobby haben. Man kann nur hoffen, dass die aktuelle Diskussion dies ändern wird.

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Video: Wenn ich mal nicht mehr da bin (Artikel wird unter dem Video fortgeführt)

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Hamburger Aktion will "Altern in Würde ermöglichen"

Diesen - und allen anderen Menschen – ein Altern in Würde zu ermöglichen, das hat sich die AWO mit ihrer "Aktion Augen Auf!" in Hamburg auf die Fahnen geschrieben. In verschiedenen Stadtteilen gibt es Projekte, um Hilfe leisten zu können. "Einsamkeit beruht auf unterschiedlichen Umständen. Sie kann ein Resultat von Armut sein, von Unkenntnis über Hilfeleistungen oder das Ergebnis eines nicht oder nicht mehr vorhandenen sozialen Netzwerks", erzählt mir Susanne Lehmann, Stadtteilkoordinatorin für Lokstedt/Stellingen. "Natürlich ist da auch eine Kombination aus verschiedenen Faktoren möglich."

Der Kontakt mit den Betroffenen kommt auf unterschiedliche Weise zu Stande, so kann es auch mal ein Hausmeister sein, der bei der AWO auf einen überquellenden Briefkasten hinweise. "Wichtig ist, dass wir die Person auch aufsuchen und fragen, ob sie Hilfe überhaupt möchte. Das ist nicht immer der Fall", so Frau Lehmann. "Wenn die Person Hilfe möchte, wird ermittelt, welche Hilfe gebraucht wird." Hilfe gibt es nicht nur beispielsweise bei der Beantragung von Leistungen, sondern auch im Form von Gesprächen.

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Ehrenamtlicher Besuchsdienst für ältere Menschen

Ein Besuchsdienst besucht die ältere Person, sofern Interesse besteht. Einfach mal eine Stunde lang ausgiebig reden. Viele freuen sich bereits Tage im Voraus darauf. Für Frau Lehmann ist wichtig, dass auch die Chemie zwischen dem Besuchten und dem ehrenamtlichen Helfer, beziehungsweise Helferin, passt. Deshalb gibt es einen Kennlernprozess und auch eine kleine Umfrage im Anschluss. Frau Lehmann freut sich besonders über die heterogenen Gruppe des Besuchsdienst. "Wir haben Studenten, aber auch ältere Damen, die über 70 sind, die sich ehrenamtlich engagieren und andere Menschen besuchen wollen", schwärmt sie. "Das ist eine ganz tolle Mischung."

Seit über sechs Jahren ist sie bei der AWO tätig und leidenschaftlich dabei. Sie hofft, dass das Thema Einsamkeit im Alter weiterhin diskutiert wird und die Politik die passenden Rahmenbedingungen schafft. "Die Gesellschaft muss darauf schauen, die Ursachen zu bekämpfen", fügt sie hinzu. "Das Thema ist ja auch eng mit dem Thema Pflege verbunden. Hier müssen alle Akteure zusammenarbeiten." Ihre persönliche Motivation? "Jede erfolgreich implementierte Hilfe. Wenn mich dann jemand nochmal um Hilfe bittet, merke ich, dass die Person Vertrauen gefasst hat. Das ist für mich auch ein Zeichen, dass Ängste aufgebrochen wurden. Das ist für mich natürlich ein sehr tolles Gefühl, denn es sind ja gerade diese Menschen, die nicht nach Hilfe fragen, die wir versuchen zu bedienen."

Wer selbst gerne den Besuchsdienst oder die anderen Angebote der AWO in Hamburg in Anspruch nehmen möchte, kann sich direkt bei der kostenfreien Hotline der AWO melden: 0800 - 28 436 28. Die Aktion freut sich außerdem über ehrenamtliche Helfer. Das Projekt "Aktion Augen Auf!" ist spendenfinanziert. Klicken Sie auf den hinterlegten Link, um sich über eine Spendenmöglichkeit zu informieren.

Hinweis: Wir haben auch andere Parteivertreter als Gesprächspartner angefragt. Leider kamen aber keine Gespräche zu Stande.